Bei­trag vom 15. Mai 2018

Dankbarkeit im Supermarkt

Zwischen zwei Terminen husche ich eilig in den Supermarkt meines Vertrauens, um genau drei Lebensmittel zu besorgen: Spargel, gekochten Schinken und Sauce Hollandaise.

Ja, ja die aus der Tetrapack Verpackung. Wenn ich in Rente bin und hoffentlich über die Zeit verfüge, die ich mir wünsche, stelle ich diese natürlich selber her. Einen Thermomix werde ich mir deshalb nicht anschaffen. Vermutlich könnte ich von der Anschaffungssumme dieser Zaubermaschine, bis zum Lebensende in Sauce Hollandaise baden.

 

Wie in jedem gut sortierten Supermarkt fängt mein Gang in der Obst- und Gemüseabteilung an, wo mich der Spargel sofort anstrahlt. Mist, habe meinen Stoffbeutel bei meinem letzten Aufenthalt wohl bei meinem Mann im Auto liegen lassen, denn im Einkaufskorb finde ich sie nicht. Diese kleinen nützlichen Alltagshelfer habe ich bei einem meiner Besuche in der Schweiz in einem Supermarkt entdeckt. Die sehen aus wie ein feines Netz mit einer Kordel zum Zuziehen und einem breiten Stück Stoff an einer Naht, worauf man die Preisetiketten klebt. Mehrfach verwendbar.

 

Ich liebe solche Erfindungen, die vermeiden immer weiter Plastikmüll anzuhäufen.

 

Die Idee hat mich sofort angefixt. Statt jedes Obst und Gemüse einzeln in einen Plastikbeutel zu stopfen, sammle ich darin die Lebensmittel und klebe ordentlich die Etiketten darauf. Mein kleiner Beitrag, diesen Planeten vor zu viel Plastikmüll zu verschonen, und als langfristiges Projekt in meinen Alltagstrubel fest integriert. Nur leider heute nicht. Mit schlechtem Gewissen reisse ich einen Plastikbeutel aus der Halterung ab und stöhne leise vor mich hin. Muss mir unbedingt noch so ein Teil für die Einkäufe hier besorgen. Hastig suche ich mir die schönsten Spargelstangen aus dem Haufen raus. Jetzt gehts ab zur Spargelschälmaschine. Auch so eine wunderbare Erfindung!  Vorbei die Zeiten, dass man länger damit beschäftigt ist, den Spargel zu schälen, als ihn zu essen.

 

„Bitte keine Selbstbedienung“ lese ich auf einem extra großen, auf der Maschine befindlichen Schild. Ich schaue mich in der Obst- und Gemüseabteilung nach einem Verkäufer um. Ausser einer älteren Dame, die sich an den Trauben versucht und einem jungen Mechaniker, der sich im vorbeigehen eine Banana schnappt, ´Hurra, er verzichtet auf Plastik´, denke ich, doch von einem Verkäufer weiter keine Spur. Weil mein Zeitfenster immer knapper wird, versuche ich mein Glück an der Kasse und frage nach, ob die Kassiererin, mir jemanden ausrufen kann, der mir den Spargel schält. Was für ein schöner Service!

 

Erwähnte ich bereits, dass ich alles, was mir meinen Alltag erleichtert, besonders liebe.

 

„Sind die wieder verschwunden“, höre ich die Kassiererin in meine Richtung rufen, um sich dann wieder ihrer Kundin am Warentransportband, ja die Dinger heissen so, zu widmen. Einen Moment warte ich noch, ob sie vielleicht ans Telefon geht, stattdessen schaut sie sich wieder kurz zu mir um. Ich lächele freundlich und verschwinde mit dem Plastikbeutel Spargel in meiner Hand zurück in die Abteilung. Irgendwann wird schon jemand auftauchen, hoffe ich. Und da sind sie wieder die alltäglichen emotionalen Herausforderungen, denn ich spüre eine leichte Ungeduld in mir. Im nächsten Moment eilt eine Verkäuferin um die Ecke, die sich an der Maschine in Position bringt. In aller Ruhe zieht sie sich ein Paar Einmalhandschuhe an. Wie nett von ihr, denke ich noch, als sie mich anspricht: „Haben Sie den schon gewogen?“ Ich stutze kurz. Ne, natürlich nicht. Wie dumm von mir. In dem Moment, als ich mich umdrehe, um den Spargel zum Wiegen auf die Waage zu legen, steht eine Dame hinter mir.

 

Ebenfalls mit einem Plastikbeutel voller Spargelstangen in der Hand. „Haben Sie gewogen?“ höre ich die Verkäuferin zu der Kundin sagen. Die nickt heftig und strahlt mich siegessicher an. Ich beiss mir auf die Lippen und beobachte wie sich die Stangen der Kundin, die jetzt an meiner Stelle an dieser tollen Erfindung steht, langsam durch diesen Apparat schieben. Angesichts meines knappen Zeitfensters sinkt meine Laune gen Tiefpunkt. Aber das allein ist es nicht, irgendein anderes Gefühl beschleicht mich dann doch. Also gut, raus damit, denke ich, und atme noch einmal kurz durch: „Da haben Sie aber Glück gehabt, dass ich Ihnen die Verkäuferin für diese tolle Maschine herbeigezaubert habe und Sie jetzt sofort dran sind?“

Mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen und dem frisch geschälten Spargel schiebt die Dame ihren Einkaufswagen an mir vorbei. Ein gewisser Triumphzug in ihren Augen entgeht mir dabei nicht.

Dumm gelaufen, denke ich.

 

Alltägliche Situationen, die einen ganz schön auf die Palme bringen können.

 

Wie sehr hätte ich mich über ein `Danke schön` oder `Ach das habe ich jetzt gar nicht mitgekriegt` oder `Wiegen Sie nur in Ruhe ab, schließlich standen Sie ja auch vor mir an der Maschine`. Oder irgendetwas in diese Richtung. Es macht das Leben miteinander soviel netter,  leichter und zufriedener.  Wie gesagt auf die Palme bringen können? Denn was genau habe ich davon, wenn die Kundin schon längst mit dem geschälten Spargel im nächsten Gang verschwunden ist, und ich mich immer noch weiter darüber ärgere? Richtig. Überhaupt gar nichts, habe ich davon. Weil . . . und deshalb sehe ich meinen Alltag mit seinen emotionalen Herausforderungen als langfristiges Projekt an, wo mir nur eins übrig bleibt: Meine innere Haltung. Und die beginnt mit einem guten Plan im Kopf.  Weil . . .  ich niemals die anderen ändern kann, sondern immer nur an meinen eigenen ZufriedenheitsStellschrauben drehen kann.

 

Bleibe neugierig – das Leben unter Palmen ist so viel schöner als auf ihnen drauf.