Bei­trag vom 3. Mai 2017

Authentisch leben

„Power Frauen lieben ihr Leben.
Weil sie es genau so leben, wie sie es sich wünschen“

 

„Oh mein Gott“, fluchte ich vor mich hin, als ich versuchte mich bei Facebook anzumelden. Bereits eine Dreiviertel Stunde sass ich an diesem tristen Samstag Nachmittag erfolglos vor dem Laptop und klagte leise vor mich hin. „Power Frauen stellen sich neuen Herausforderungen“. Immer wenn ich alle nötigen Daten eingeben hatte und kurz davor war den Vorgang als beendet abzuschliessen, schmiss mich dieses verdammte Ding, also Facebook, oder der kleine Mann, der in Indien oder wo auch immer sitzt – mit dem Satz raus: „Sie sind nicht berechtigt, einen Account zu eröffnen“. „Frechheit“, dachte ich beim letzten Versuch, klappte energisch den Laptop zu und stampfte die Treppe runter in die Küche.

Auf der Arbeitsplatte stand ein knuspriger Mürbeteigboden, den ich am Vormittag zwischen Duschen, Waschmaschine einladen und Spülmaschine ausräumen, im Backofen irgendwie vergessen hatte. „Power Frauen sind multitasking“. Schell die Kirschen und die klare Tortenglasur darüber und dann wieder ab zu dem Mann in Indien, dachte ich. Während der Klibber so über die Kirschen lief, hielt mir mein Studentensohn seine Fingerkuppe unter die Nase. „Wieso pellt sich hier was ?“ er begutachtete mein Backwerk, als wäre es ein Versuchsgegenstand aus einem seiner Biologie Praktika.

Ich rümpfte die Nase.

 

„Heute Abend gehen wir noch in den Club. Da brauche ich unbedingt meine Lieblingsjeans?“ lächelte mich meine Tochter an. Ich lächelte zurück. „Power Frauen hören zu“. Im selben Moment kam mein Göttergatte von der Hunderunde mit unserer Tibethündin zurück. Beide blieben triefend nass im Türrahmen der Küche stehen. Unter ihnen sammelte sich bereits eine braune Brühe. „Ich spring mal kurz unter die Dusche“, trällerte mein Mann und war auch schon auf dem Weg nach oben ins Badezimmer. Nimm den Hund gleich mit, dachte ich. Stattdessen schnappte ich mir den verdreckten Köter und spritzte sie im Garten ab. Hinterher stand ich tropfend mit kleinen braunen Klecksen an den Klamotten im Garten. „Power Frauen lächeln das einfach weg“

Zurück in der Küche hatte ich jetzt genau zwei Möglichkeiten auf die Fragen meiner Kinder zu antworten. Erste Möglichkeit wäre meinem Sohn zu erklären, dass ich Life-Coach bin und kein Hautarzt, und damit leider nicht über medizinisches Fachwissen bei pellenden Fingerkuppen verfügte. Und meiner Tochter mit zu teilen, dass die Hose gewaschen im Keller bei der Bügelwäsche liegt und sich das Bügelbrett bestimmt über ihren Besuch freuen würde.

Im üblichen Muttermodus plapperte ich los: „Wenn wir den Kirschkuchen gegessen haben, verschwinde ich in den Keller und bügle dir schnell die Hose . . .“, ich atmete tief durch, „ . . . und wenn es nicht besser wird, mache ich einen Termin beim Hautarzt für Dich“, dabei beobachtete ich,  wie der Tortenguss seinen Weg über den Kuchen, von der Tortenplatte auf die Arbeitsfläche gefunden hat. Läuft, schoss es mir in den Kopf. „Power Frauen machen einfach“.

Was nicht lief, war das Einrichten meines Facebook Accounts.

 

„Wie habt ihr euch eigentlich bei Facebook angemeldet?“ fragte ich und beobachtete aus dem Augenwinkel wie die Kinder ihre Augen verdrehten. Wozu lebt man schließlich gemeinsam mit „Digital Native“ unter einem Dach, dachte ich und schob hinterher: „Nur fürs Geschäft“. Erleichterung machte sich in den Gesichtern meiner Kinder breit. Die Angst, dass ihre Mutter demnächst in der virtuellen Welt unterwegs sei, konnte ich ihnen damit ein Stück nehmen. „Power Frauen lernen immer Neues dazu“.

„E-Mail Adresse, Passwort, fertig“, war die knappe Antwort meines Sohnes. „Aber die private . . .“, ergänzte meine Tochter.
„Aha . . .“, stotterte ich, hatte ich es doch die ganze Zeit mit meiner geschäftlichen Adresse versucht.

Sorry, indischer Mann.

„Power Frauen lieben ihr Leben.
Weil sie es genau so leben, wie sie es sich wünschen“